Tactile Gemma
2001 : "Tactile gemma"

      Ich hatte ja schon nicht mehr dran geglaubt, aber nun (Ende 2001) ist das Debütalbum des "Projektes" Tactile Gemma, endlich erschienen und meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht!
Die Musik, welche von Atrox-Gitarrist Rune Sørgård allein komponiert wurde, entzieht sich jeglicher Klassifizierung. Ich meine in anderen Rezensionen etwas von Electronica, Trip Hop und Ambient gelesen zu haben, aber abgesehen davon, daß mir persönlich diese Stilbezeichnungen herzlich wenig sagen, könnten sie allenfalls als grobe Orientierungspunkte dienen. Festzustellen ist sicherlich, daß die Musik überwiegend künstlich erzeugt ist (Synthesizer, Samples) und sich meist in etwas ruhigeren Gefilden bewegt. Es kommen daneben aber auch Baß und Gitarre zum Einsatz, und das geheimnisvoll-unheimliche "Whiz", das musikalisch zu Beginn an ein alles niederwalzendes Gefährt (Raupe? Walze? Panzer???) erinnert, erscheint mir stellenweise härter als so manches, was unter dem Begriff "Heavy Metal" unters Volk geworfen wird.
Wenngleich die Musik gelegentlich, etwa zu Beginn und am Ende von "Creepy-crawlies", schon ziemlich absonderlich klingt, sind es nach meiner Ansicht der Gesang und die fast ausschließlich von Monika verfaßten Texte (lediglich "Blackberry Jam" stammt von ihrer Schwester Ann-Mari), welche dem Ganzen die Krone aufsetzen. Beide, d.h. Gesang und Texte, sind nicht minder surrealistisch als das Cover. Dabei ist (überraschenderweise?) festzustellen, daß Monikas Gesang bei aller Experimentierfreudigkeit, die sie hier (wieder) an den Tag legt, insgesamt eingängiger wirkt als auf dem Atrox-Album "Contentum", was natürlich auch durch die Musik bedingt sein mag. Monika kann auch richtig "schön" singen, wie etwa im Mittelteil von "Creepy-crawlies". Den Text könnte man fast als eine Mini-Gute-Nacht-Geschichte bezeichnen, erzählt Monika doch darin, wie in einem fünfeckigen Haus im tiefen Wald fünf "creepy-crawlies" namens Aranea, Bumblebee, Cicada, Daddy-longlegs und Emmet zusammenleben und abends aus Furcht vor den fremdartigen Geräuschen draußen nicht einschlafen können. Dann singen sie sich, einer nach dem anderen, gegenseitig in den Schlaf, bis Emmet als letzter mit piepsiger Stimme feststellt: "Who will lull me?" und dann in seiner Verzweiflung Aranea weckt, die ihn nun in den Schlaf singt. "So the night goes by, taking turns sleeping and singing. At dawn Aranea wakes Bumblebee wakes Cicada wakes Daddy-longlegs wakes Emmet and what was scary in the night ist gone now, at least until dusk." Das Ganze würde, wenn es nicht gesungen wäre, auch als Mini-Hörspiel durchgehen (bei dem Monika in verschieden Rollen schlüpft) und man könnte es sich auch gut als Zeichentrickfilm oder als Bilderbuch für Kinder vorstellen. Richtige Krabbeltiere in der Wohnung mag ich ja gar nicht gern, aber Monikas "creepy-crawlies" wirken richtig liebenswert und süß!
Ich glaube, der Text von "Creepy-crawlies" ist noch am einfachsten nachzuvollziehen, während die anderen wirklich sonderbar sind, wie z.B. "Miss Loona´s Speech", wo es u.a. heißt: "Everyone tries to get into my...what´s it called...my acre, my meadow, my kitchen garden...I also grow teapots there, trying to cross them with rucksacks but what do I get? Mutants dear mutants where are my lightweight teapots? Two straps and extra pockets for sugar for spoons..." Aber warum nicht? Sowas ist mir definitiv lieber, als wenn irgendwelche Klischees zum x-ten Male durchgekaut werden. Der Alltag ist oft genug trist und grau, da schadet es nicht, wenn Leute wie Monika mal einen Sack voller (scheinbar?) verrückter, ungewöhnlicher Gedanken und Ideen kommentarlos vor einem ausleeren, um für etwas Abwechslung zu sorgen.
Monika hat nicht nur fast alle Texte verfaßt, sondern auch den Gesang größtenteils allein übernommen. Ihre Schwester Ann-Mari hat lediglich bei dem von ihr selbst verfaßten "Blackberry Jam" die Hauptstimme übernommen und taucht daneben bei einigen anderen Stücken nur noch im Hintergrund auf. "Blackberry Jam", welches musikalisch neben "Creepy-crawlies" und "Whiz" zu meinen Lieblingsnummern gehört, ist übrigens gleich zweimal vertreten, nämlich neben der neuen Version noch als einer von drei Promo-Tracks aus dem Jahre 1998. Die Unterschiede sind nicht sooo stark, allerdings gibt Monika in der Promo-Version dieses Songs gegen Ende Laute von sich, die in meinen Ohren wie eine Mischung aus Baby-Quengelei und Katzenlauten klingen.
Ziemlich schräg und disharmonisch klingt das Gesangsduett zu Beginn des zweiten Promo-Songs "Come Eclipse", dessen Text leider ebenso wie der des ersten Promo-Songs "Deep" nicht abgedruckt ist. Allerdings scheint "Come Eclipse", soweit ich das verstanden habe, von Moskitos zu handeln, die einen bekanntlich ziemlich piesaken können, und womöglich sollte genau dieses "Feeling" durch den Gesang vermittelt werden.
In meinen Augen (bzw. Ohren) entbehrlich gewesen wäre das Stück "Quite quiet", welches gar keinen Text hat und ziemlich langweilig ohne große Abwechslung vor sich dahinplätschert. Da das Album mit einer Gesamtspieldauer von ca. 70 Minuten ohnehin sehr lang ausgefallen ist, hätte man diesen Song getrost weglassen können. Ansonsten gefällt mir das Album insgesamt sehr gut und ich bin mal gespannt, ob Tactile Gemma eine einmalige Angelegenheit war. Eines ist sicher: von Monika kann man sicher noch einiges erwarten, wenn die Plattenfirma nicht reinquatscht. Es würde mich auch nicht überraschen, wenn eines Tages mal von ihr ein Buch mit surrealistischen Kurzgeschichten und entsprechenden Illustrationen erscheinen würde. Das Potenzial hierfür ist bei ihr definitiv vorhanden.
Diejenigen, die ein offenes Ohr für etwas ausgefallenere Musik und experimentierfreudigen Gesang haben und bei gelegentlich auftretenden Disharmonien nicht sogleich panikartig das Weite suchen, sollten sich dieses Album mal in Ruhe zu Gemüte führen. Ich halte es insgesamt für zugänglicher und eingängiger (beide Adjektive sind hier relativ zu verstehen!) als "Contentum" von Atrox und "In This Room" von The 3rd And The Mortal.

_Burkhard_

 

    Season Of Mist is a record company that traditionally releases metal albums. Monika Edvardsen is the singer in Atrox, which is an avant-garde band, but that's still a metal band. Her sister Ann-Mari is the singer in The 3rd And The Mortal, an other metal band. And when you put all that together in a new project called Tactile Gemma, you obtain an album that has… nothing to see with metal. Even if the first track, 'Chimeras', evokes the softest side of The Gathering, Tactile Gemma might get a much wider audience, because they are very quiet and almost in a style that could be called pop/ambient. Still, they are quite fucked up too, but I bet that the ones who like the tiny Bjork will also appreciate Tactile Gemma, all the more that some tracks such as 'Chimeras', 'Blackberry Jam' and 'Mellow Pillow' would make good singles. So that's an album with a big unity, though the tracks are quite varied and different. This is a musical experience that will leave a trace on you or not, depending on your musical sensibility (the vocals of Monika are not easy to get in for example), but anyway that will not destroy your ears and leave you as deaf as your 90 years old grandma.

_Thomas Bonnicel_  7/10

 

    Tactile Gemma is an amazing band indeed! And Seasons Of Mist, their label, hits the nail on the head when they claim that their "music is impossible to classify & and even harder to describe". That leaves a critic in a void. All I can say is that Tactile Gemma represents something fresh and new and innovative in the scene. This Norwegian female fronted band plays a kind of percussive based fairytale metal unlike most of the stuff I've lent ears to in quite a while. SoM suggests, "Bjork meets The 3rd & The Mortals". Well, I guess that description can pass for some of the songs. There are so many intriguing details and fascinating and boundless creative ideas materialized on this record that it leaves you wondering where they all come from. The sound is awesome and the female vocals excellently and playfully sung by the sistersAnn-Mari and Monika Edvardsen. This is a wonderful album. A must for the open-minded music lover!

_AJ. Blisten_

    A strange album. The music is atmospheric and with ambient influences and the vocals are female, atmospheric and operatic. In certain parts they are strongly influenced by The Gathering (of the "How To Measure A Planet" era) and that's not only because of the female vocals and the obvious similarity between the voice of Anneke and their singer. It also has to do with their music and their sound. The album comes with three bonus tracks that were written back in 1998 and were used as promo tracks, so you get a pretty good idea of how their sound has evolved, although to be honest I didn't found many differences. Now the big question is whether the CD is good. I'd say that mainly yes it is, but there's still room for improvement. What I would like is some more variety since in certain parts the songs are somehow alike. But the overall quality is above average and if you are into atmospheric stuff you'll probably enjoy the majority of the album.

From _Tombstone.gr Webzine_

 

     Hui, was kommt uns denn da aus dem Hause Seasons of Mist hereingeflattert? Etwas gänzlich Unerwartetes, versorgt einen besagtes Label doch normalerweise mit düsteren Metalhymnen und Grunzorgien. Da fallen TACTILE GEMMA wirklich extrem aus dem Rahmen, denn was dieses Dreiergespann - Rune Sörgård (Musik, Texte), Monika Edvardsen (Vocals) und Ann-Mari Edvardsen (Vocals) - aus dem hohen Norwegen auf CD bannt, hat weder mit hartem Rock noch Metal das Geringste zu tun. Tatsächlich ist es äußerst schwierig, den Stil dieser Musik einzuordnen, bewegt man sich doch irgendwo zwischen den Künsten der isländischen Gesangsfee BJÖRK und PORTISHEAD, um es zumindest versuchsweise etwas genauer zu beschreiben. Der weibliche Gesang steht dabei absolut im Vordergrund, und es scheint, als hätten die beiden Damen Monika und Ann-Mari wahre Freude daran, mit ihrer Stimmbandakrobatik den Hörer erst zu verzaubern und dann wieder zu verstören - nur, um ihn anschließend aufs Neue engelsgleich zu betören. Nicht umsonst haben TACTILE GEMMA ihre Musik selbstredend "Psychedelic Heavenly Voices" betitelt, da würden selbst die Sirenen der griechischen Mythologie vor Neid erblassen angesichts dieses sich irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn bewegegenden Albums.
Und da es wirklich extrem schwer ist, diese Platte angemessen in Worte zu kleiden, kann ich nur diejenigen, die mit psychotischer, leicht abgedrehter und trotzdem auf ihre Art und Weise genialer und fesselnder Musik etwas anfangen können raten, TACTILE GEMMA anzutesten. Ob nun mit oder ohne die Einnahme von Drogen: neue Dimensionen warten hier darauf, entdeckt zu werden.Anspieltipps: Blackberry Jam, Heal, Mellow Pillow

_Kathy Schütte_

 

    
       S'il est des personnes dont on n'aurait point soupçonné, de prime abord, la capacité d'évasion des schémas de leur habituel Dark Metal, ce sont bel et bien les leaders d'Atrox, Rune Sörgard et Monika Edvardsen. Accompagnés par le chant de la soeur (Ann Mari… Edvardsen, pilier vocal de The Third & The Mortal), le duo fondateur réussit en une heure un envoûtement inattendu. A mille lieues de ce qu'on aurait pu attendre de pareille formation, le son de Tactile Gemma obtient un rendu d'une profondeur très spécifique (tension quasiment Trip Hop sur « Chimeras ») : c'est ici la rencontre entre des lignes de voix tout à la fois lyriques mais parodiant par moments un très aigu spoken word, et des armatures vibrantes à base essentiellement électronique, dont la texture pourrait rappeler Björk ou plus loin, Portishead. Tactile Gemma développe un style sans véritable référent, ce qui provoque l'irruption de sensations de malaise réelles (« Blackberry Jam »), puis l'installation d'un trouble persistant. Econome en guitares, les orchestrations de Tactile Gemma développent sur ce premier album éponyme une poésie sombre et raffinée, étrange et presque discourtoise (« Heal », franchement inquiétant). En trompe-l'oeil, Tactile Gemma joue son va-tout contre la cognition et présente un monde bien étrange. De là à ce qu'il s'impose, les bonnes volontés ont du chemin à faire : les trésors ne se gagnent qu'aubout de la quête.

_Emmanuel from Obskur[e] Webzine_

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